Das freut den Wanderer: Wenn er nach Jahren erneut durch eine Gegend kommt und Dinge wiedererkennt. So auch unterwegs zum Lac de Bret.
Route: | Palézieux, Bahnhof–Palézieux, Dorf–Palézieux, Nebenbahnhof–Bois du Chaney–Steg über die Broye–Les Tavernes– Moulin de la Corraye– La Pésotte–Pied de Boeuf–Lac de Bret, Südspitze–Bahnhof Puidoux-Chexbres | |
Dauer: | 3.5 Stunden. 185 Meter aufwärts, 230 abwärts. | |
Einkehr: | Seerestaurant, täglich geöffnet. | |
Hinkommen: | Palézieux hat einen Bahnhof an der Zuglinie Freiburg– Lausanne. |
Kolumne von Thomas Widmer
Während ich im Zug von Freiburg Richtung Genfersee fahre, denke ich wieder einmal, dass ich diese Gegend sehr mag. Die lang gezogenen Flachkämme, manche bewaldet; die Weite gegen Frankreich zu. Die Weiden mit den Glotzkühen. Und die Schlösser burgundischen Gepräges mit Rundtürmen wie im Bastelbogen meiner Kindheit. In Romont steige ich fast aus, derart anziehend wirkt das befestigte Hügelstädtchen. Ich bleibe dann doch sitzen, denn mein Plan für diesen Tag ist ein anderer. Erst in Palézieux-Bahnhof verlasse ich den Zug. Atme durch und ziehe gleich los, obwohl mich das charmant verwitterte Restaurant gegenüber reizen würde. Mein erstes Ziel ist Palézieux; das Dorf liegt weitab der Bahn-Hauptachse von Freiburg nach Lausanne. Mein Weg verläuft bald im Wald auf einem schmalen, wurzeldurchsetzten Erddamm neben der munteren Broye.
Im Dorf würde ich gern in die Kirche schauen, doch sie ist verschlossen. Ich gehe weiter und gelange zum zweiten Bahnhof von Palézieux, er gehört zur Nebenlinie nach Payerne. Einige Zeit später kommt oben am Waldrand ein Abzweiger in Sicht. Nach Oron möchte ich auch einmal laufen; ich ziehe mein Büchlein hervor und notiere mir die Route – diese Gegend ist voller Projekte. Aber diesmal soll es in die Gegenrichtung gehen, ich will zum Lac de Bret.
Die nächsten anderthalb Stunden wandere ich auf breiten Wegen meist im Wald, habe es gemütlich und geniesse es, dann und wann zu meiner Linken den Mont Pèlerin mit dem Fernsehturm zu sehen, einen alten Freund. Das ist es, was ich über die Jahre am Wandern schätze: Das Land füllt sich mit Erinnerungen. Komme ich irgendwo erneut durch, erkenne ich Dinge wieder und freue mich.
Kurz vor dem Hof La Pésotte bin ich froh, Nichtraucher zu sein. Im Zufahrtssträsschen klafft ein Bauloch, aus dem eine Leitung mit einer Art Wasserhahn ragt. Daneben ein Warnschild auf Französisch: «Kein Feuer! Rauchen Sie nicht! Explosionsgefahr!» Gas. Ich trete vorsichtiger auf, obwohl meine gummierten Schuhsohlen nie und nimmer Funken schlagen können.
La Pésotte ist der Punkt, an dem ich den Lac de Bret erblicke. Er zieht sich anderthalb Kilometer in die Länge, ist dabei nur 400 Meter breit. Und nur 13 Meter tief. Der Schmächtling ist aber wichtig, denn er versorgt die unterhalb des Plateaus liegenden Orte der Weinbauregion Lavaux sowie die Stadt Lausanne mit Trinkwasser. Dazu wurde er mit einem Erdwall aufgestaut.
Das strassenfreie Ufer entlang, bisweilen in einigem Abstand zu ihm, gehe ich zur Südspitze des Sees. Trampelpfade führen rechter Hand durch das Wäldchen hinab ans Wasser; von unten höre ich Frauenlachen. Linker Hand sehe ich Golfer, deren Platz an den See grenzt. Der Lac de Bret ist ein Gewässer, an dem zwei Kulturen zusammenstossen: die mondäne Genferseeregion und die ländliche Waadt.
Das Seerestaurant mit Prachtblick auf Savoyens Alpen spricht die Luxusseite der Gegend an, die Küche ist gediegen mit Fisch, Hummer, Meeresfrüchten. Mir ist ausnahmsweise nicht nach Einkehren, also setze ich die Wanderung fort. In einem weiten Bogen führt mich der markierte Weg hinab zum Bahnhof Puidoux- Chexbres. Was für ein unwirtlicher Ort mit seinen Strassen, den Industrieanlagen, den Wohnblocks. Aber den Lac de Bret habe ich nunmehr meiner Erinnerungslandschaft einverleibt.
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