Unser Wanderer konnte dem Ruf eines der Churfirsten nicht mehr widerstehen. Das führte ihn in den Abgrund.
Route: | Alp Sellamatt – Mittelstofel – Lochhütte – Brisizimmer – Brisi – Brisizimmer – Strichboden – Seilbahn Selun (einfache Privatseilbahn, Gruppen müssen sich vorher anmelden) | ||
Dauer: | 5,5 Stunden. Aufstieg 1080 Meter, Abstieg 890 Meter. | ||
Verpflegung: |
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Anfahrt: | Ab Alt St. Johann mit der Sessel-/Gondelbahn bis Sellamatt. |
Thomas Widmer
AUSTRALISCHE HITZE AUF DEM BRISI
Eines Sommertages gondeln wir von Alt St. Johann hinauf zur Alp Sellamatt. Unterwegs rufen wir uns die Namen der sieben Churfirsten in Erinnerung, von denen gleich vier zackig über die Tannen vor uns ragen. Selun, Frümsel, Brisi, Zuestoll, Schibenstoll, Hinderrugg, Chäserrugg! Den Brisi haben wir uns diesmal vorgenommen. Er hat an mir in den letzten Jahren auf eigenartige Weise gezupft und gezogen. «Komm zu mir», schien er mir jedes Mal zu sagen, wenn ich ihn auf irgendeiner Toggenburgtour von Weitem sah. «Komm endlich zu mir!»
Heute muss, heute soll es sein. Auch wenn es eigentlich zu heiss zum Wandern ist. Das Bergrestaurant auf Sellamatt ignorieren wir; wir wollen vorwärtsmachen. In dem angenehmen, mässig coupierten Alpgelände kommen wir gut voran, sind bald bei der Lochhütte. Der Brisi, 2 279 Meter hoch, rückt näher und schockiert immer mehr: Was für ein Klotz! Was für eine Rampe! Das wird hart.
Dann das Brisizimmer. Ich bin enttäuscht. Ich weiss gar nicht, was ich mir vorgestellt habe – irgendwie, dass das Gelände ein Zimmer bildet. Also eine Kammer. Da sind aber nur ein Wegweiser und ein paar Alphütten.
Aber das Panorama ist prächtig
Nun beginnt der Aufstieg. Teil eins führt durch eigenartig verkrautetes Gelände, die Wedel und Farne und Nesseln stehen hüfthoch und verdecken die Löcher im Kalkboden. Dies ist Karstgelände, man muss auf seine Tritte achten. Ein Gatter führt durch ein Felsband auf das schräg gestellte Pultdach des Brisi. Teil zwei, nun ja, ist zwar kaum noch verkrautet. Aber der Karst macht sich umso brutaler bemerkbar. Die Stufen sind hoch, bröckelig, unregelmässig. Oben sind wir erschöpft. Doch das Panorama entschädigt für alle Leiden. Auf der einen Seite haben wir die Säntiskette, auf der anderen die Gipfel über dem Flumserberg wie den Spitzmeilen. Und die Glarner Alpen. Durch eine Lücke im Fels sehen wir auf einen blauen Fleck zu unseren Füssen: die Ostspitze des Walensees.
Ah ja, unbedingt muss ich an dieser Stelle eine Warnung absetzen: Die Wanderung auf den Brisi ist mühsam, aber so weit ungefährlich, wenn man trittsicher ist. Nie geht man ausgesetzt. Aber oben die Kante – die hat es in sich. An sie zu treten, ist freiwillig; doch wer es tut, ist konfrontiert mit dem Nichts: Mehr als 1 800 Meter stürzt das Gelände zum Walensee ab.
Wasser! Die Bratwürste können warten
Endlich reissen wir uns doch los. Wir halten hinab und schwitzen noch mehr als im Aufstieg: Kontrolliert gehen und bremsen ist enorm streng. Nach dem Brisizimmer wird alles wieder leicht. Wir sind nun wieder auf dem erwähnten Alpboden, halten Richtung Westen, kommen zu einem Schild, das das Wildmannlisloch anzeigt. Die Höhle ist bekannt, ich wollte sie schon lange einmal besuchen, doch nicht heute! Wir sind müde. Ausgedörrt von der australischen Hitze.
Beim Alprestaurant Wildmannli auf dem Strichboden lassen wir uns auf den Bänken nieder und – der Leser möge die etwas unfeine Formulierung verzeihen – saufen wie die Kamele. Hunger haben wir kaum, was schade ist, denn es gibt Rindfleisch und Bratwürste. Als wir uns wieder fit genug fühlen, machen wir uns auf den Weg zur nahegelegenen Standseilbahn Selun, die nach Starkenbach hinabfährt.
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