Semsales ist ein kleines Dorf im Südteil des Kantons Freiburg. Sein Wahrzeichen ist der übrig gebliebene, isoliert stehende Glockenturm der alten Kirche. An einigen Hausfassaden hängen gemalte Alpaufzüge im naiven Stil.
Route: | Semsales, Bahnhof – Verzweigung – Notre-Dame de Niremont – Niremont, Gipfel – La Goille au Cerf – Verzweigung – Semsales, Bahnhof | |
Dauer: | 4 Stunden, je 665 Meter aufwärts und abwärts. | |
Einkehr: | In Semsales. «Goille au Cerf». Montags geschlossen | |
Hinkommen: | Zug ab Bulle. |
Kolumne von Thomas Widmer
Ich zog gleich los, nachdem die Anreise per Zug via Freiburg und Bulle doch gedauert hatte. Mein Ziel war der Niremont, ein mit 1514 Metern eher unhoher Berg, der schon lange auf meiner Wunschliste gestanden war. Der Himmel war hell, die Sonne schien, doch war es für die Jahreszeit kühl, ich steigerte daher ein wenig das Tempo. Am oberen Ortsrand ein Verzweiger, zwei Wege auf den Berg standen zur Wahl. Ich nahm den rechten. Auf dem linken würde ich ein paar Stunden später glücklich und um viele, viele Kalorien reicher wieder Semsales zustreben.
Auf Asphalt, Kies, Schotter, Gras gewann ich Höhe, das war nicht besonders mühevoll. Die Kapelle von Notre Dame de Niremont war auf meiner Karte verzeichnet; als ich den gleichnamigen Wegweiserpunkt erreichte, sah ich sie aber nicht. Ich folgte dem Holzschnitzelweg linkerhand ins Gehölz – voilà, nach wenigen Metern zeigte sie sich, grossartig gelegen auf ihrer Geländeterrasse. Ich setzte mich im Freien, trank Mineralwasser, ass eine Banane, schaute ins wohlgeordnete Land.
Etwas später hatte ich den Niremont, einen langgezogenen Rücken, vor mir. Und wieder etwas später stand ich bereits beim Gipfelkreuz. Respektive: Ich setzte mich, denn da waren freundlicherweise zwei Bänklein. Eine gute Sache: noch eine Banane essen, noch mehr Wasser trinken und vor allem – noch mehr schauen. Der Niremont ist eine harmlose Flyscherhebung und gleichzeitig ein grandioser Balkon mit Sicht auf Freiburger Bergklötze wie Teysachaux und Moléson. Beide hatte ich direkt vor Augen.
Ich begann im Wind zu frösteln, erhob mich, ging weiter. Der Weg führte zum Alpgebäude im nahen Sattel und durch eine morastige Senke. Halt, das klingt respektlos, herrlicher Moorboden war das. Bald wurde mir wieder eine angenehme Überraschung zuteil: «La Goille au Cerf». Zu Deutsch heisst das «Hirschtränke». Es roch nach Rauch, die Alpwirtschaft war offen. Draussen sitzen wollte ich nicht; ich stieg die kurze Treppe hinauf, trat ein.
Ein rustikales Lokal. Zwei Frauen rüsteten gewaltige Mengen Gemüse und Kartoffeln, ich setzte mich und beschloss, mich im Kanton Freiburg wie ein Freiburger zu benehmen. Ich orderte also ein Fondue Moitié-Moitié. Als es kam, war es essbares Glück: cremig und wärmespendend und magenbetörend, das Weissbrot am Feuer gewärmt und geröstet. Ein Glas Weisswein hatte ich auch, denn da waren am Nebentisch vier Männer, die mich einluden.
Eine gute Sache, diese Hirschtränke. Als ich wieder ins Freie trat, fühlte sich mein Bauch behaglich voll an. Den Weisswein spürte ich auch, denn die Herren Einlader hatten nachgeschenkt; es waren Walliser, übrigens. Ich ging vorsichtig im Abstieg nach Semsales, der stellenweise steil war. Und als ich wieder im Dorf angelangt war, diagnostizierte ich bei einem Kaffee an mir einen Zustand der totalen Zufriedenheit. Ich hoffe, dass ihn die Nachwanderer dieser Kolumne ebenfalls erreichen werden. Vielleicht lohnt es sich, auf einen ähnlich kühlen, also bisigen oder gar regnerischen Tag zu setzen. Auf einen Fondue-Tag.
In Kooperation mit
Folgen Sie den Routen von Thomas Widmer auch auf dem Blog: widmerwandertweiter.blogspot.com